Simon Henrich (k)

Das Bild vom Haus ist eine Betonskulptur.

Diplom Gestaltung
Prof. Susanne Winterling

1 November 2019

In dem Buch Die Poetik des Raumes von 1957 entwickelt der französische Wissenschaftstheoretiker und Philosoph Gaston Bachelard eine Phänomenologie des Hauses anhand der Untersuchung von literarischen Texten. Entscheidende Ideen des Buches sind die Imagination als produktive Kraft; die Topophilie als die Lehre vom schönen Raum; ein phänomenologischer Ansatz vor einem psychologischen oder psychoanalytischen Hintergrund und die damit verbundene Methodik des Textes sowie der Archetyp des bürgerlichen Hauses, die Hütte und die Vertikalität des idealen Hauses.

Die Wohnung hat noch den gleichen Bezug zur Hütte wie das Haus. Die städtischen Wohnverhältnisse machen eine kleine Phänomenologie des Hauses schwierig, aber nicht unmöglich. Die Winkel und kleineren Räume in Möbeln und Kisten werden zum Vorbild für die Bilder von Unbewusstem und Geheimem. Die Abgrenzung von psychoanalytischen Interpretationsweisen der Literatur und der Einbildungskraft ist notwendig, um die Kraft und Unermesslichkeit der Bilder würdigen zu können. Das imaginierte Bild ist immer absolut neu und zeigt sich als schöpferische Leistung der Seele. Der Erkenntnisgewinn bildet sich zum einen durch die kreative Tätigkeit des Imaginierens, zum anderen dadurch, dass beim Lesen die Grenzen zwischen Text und Leserin oder Leser, also zwischen Subjekt und Objekt, verschwimmen.

Diplom Theory
Prof. Dr. Marc Ries

In dem Buch Die Poetik des Raumes von 1957 entwickelt der französische Wissenschaftstheoretiker und Philosoph Gaston Bachelard eine Phänomenologie des Hauses anhand der Untersuchung von literarischen Texten. Unter zur Hilfenahme der theoretischen Ideen, die Gaston Bachelard in seinem späten Werk Die Poetik des Raumes formuliert, will ich hier versuchen, diese kleine Phänomenologie des Wohnhauses in den Grundzügen darzustellen und gleichzeitig die poetische Komponente des Werkes nicht zu vernachlässigen. Die Imagination als produktive Kraft; die Topophilie, als die Lehre vom schönen Raum; ein phänomenologischer Ansatz vor einem psychologischen oder psychoanalytischen Hintergrund und die damit verbundene Methodik des Textes; der Archetyp des bürgerlichen Hauses, die Hütte und die Vertikalität des idealen Hauses sind die entscheidenden Ideen, die in diesem Text erörtert werden sollen. Bachelards Überlegungen zum Haus entfaltet er anhand einer eigenen theoretischen und sprachlichen Methode, die selbst nicht den Zweck verfolgt, aufteilende und rationalistische Argumentationen aufzustellen (Bachelard, 2017). Viel eher geht es ihm darum, das Bild vom Haus als Idealbild zu zeichnen und zu erforschen, wie dieses Bild aufgebaut ist. Daher auch der Titel Poetik des Raumes, also Lehre von der Dichtkunst über Räume, die mit der Methode der Phänomenologie von Orten arbeitet. Wenn in Bachelards Text die Rede von Bildern ist, meint das immer, außer wenn ausdrücklich anders gesagt, sprachliche Bilder aus der Romanliteratur oder der Poesie, die aus der Vorstellungskraft des Autors und des Lesers entstehen (Busch, 2011). Selten bezieht er sich dabei auf Malerei und meist nur, um den Textbildern ein visuelles Beispiel in seiner Beschreibung zu liefern (Bachelard, 2017). In diesem Fall dient das Beispiel der Malerei dazu, sowohl die Autonomie der Kunst als auch die der Literatur zu unterstreichen. Bachelard hat sich zu Anfang seiner akademischen Karriere als Wissenschaftshistoriker mit den Erkenntnismöglichkeiten der Naturwissenschaften auseinandergesetzt (Busch, 2011.). Deshalb argumentiert er, dass eine Bildlichkeit, wie im Fall von Atommodellen in der Physik, die Abstraktionsmöglichkeiten im theoretischen Denken behindert (vgl., ebd.). In seinen späten Texten, in denen es unter anderem um Die Poetik des Raumes, um die psychologische Kraft von Naturelementen, wie z.B. das Feuer, um die poetischen Eigenschaften von Tagträumen und weitere Reflexionen über Imagination geht, macht er eine theoretische Bewegung hin zu den Bildern ( Busch, 2011). Durch die dichterische Qualität der literarischen Texte lernt ein/eine Leser_in, sich den Raum vorzustellen und schafft erst die Möglichkeit, eine Idee vom schönen Raum weiter zu entwickeln. Diese Idee findet ihren Ort in der Vorstellungskraft und den Tagträumen, zu denen das Lesen von Beschreibungen über Häuser den Weg ebnet. Bachelard untersucht poetische Bilder von Wohnhäusern und Haus- und Wohnerfahrungen. Mit Hilfe der Poetik, der Literaturwissenschaft seit der Antike, untersucht er sprachliche Bilder. Als Forschungsobjekte dienen ihm dabei vor allem die französischsprachige Literatur des ausgehenden 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts, wie z.B. Charles Baudelaire, Arthur Rimbaud, Henri Bachelin und Henri Bosco, aber auch andere englischsprachige Autoren, wie Henry James Thoreau, Edgar Allan Poe und auch der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke. Der Text, den Bachelard dabei entwickelt hat, hat weniger die Wirkung wissenschaftlich zu analysieren. Vielmehr will er sprachliche Bilder vom Haus erzeugen. Gleichzeitig greift er immer wieder auf die Erinnerung von erlebten und vor allem gelesenen Häusern zurück, um seine Theorie zu unterstützen. Mit dieser philosophischen Interpretationsweise von Texten und Fragmenten der eigenen Erinnerung betreibt der Autor seine eigene kleine phänomenologische Forschungsmethode. Diese hat zur Zielsetzung, die Neuheit und Eigenständigkeit des durch die Einbildungskraft produzierten Bildes zu verstehen (vgl., Bachelard, 2017, S.8). Dabei sollen die intimen Werte des Hauses und seiner Innenräume in literaturwissenschaftliche Untersuchungen integriert werden. Die sprachlichen Objekte, ob gelesen oder ganz alleine vorgestellt, bilden die Phänomene, denen sich die phänomenologische Methode der Poetik des Raumes widmet. Bachelard geht dabei so vor, dass er durch seinen Text einen Raum öffnet, der neben der Interpretation von Literatur ebenso eine poetische Qualität besitzt. Gleichzeitig soll Die Poetik des Raumes der Epistemologie dienen. Durch seine dichterische Schreibweise entwickelt Bachelard Bilder von Räumen. Daneben webt er in seinen Text Beispiele aus der Literatur in Zitatform ein. Es entsteht eine Sammlung von sprachlichen Bildern, die beim Lesen eine ähnliche Wirkung wie ein Prosatext entwickelt. Die poetischen Bilder fügt er durch eine assoziative Methode aneinander und erhält so einen sprachlichen Fundus, welcher das ideale Haus beschreiben soll. Die Methode, mit der Bachelard in der Poetik des Raumes die Gedichte und Textstellen aus Romanen untersucht, nennt er eine phänomenologische. Wichtig ist dabei, dass seine phänomenologische Textarbeit in keiner direkten Linie mit der philosophischen Tradition der Phänomenologie steht. Seine phänomenologische Methode beschreibt er immer wieder in einer Art benachbarter Abgrenzung zu der Psychoanalyse. Daher wird sie in dieser Diplomarbeit auch als kleine Phänomenologie bezeichnet, um sich abzugrenzen von großen phänomenologischen Theorien von Edmund Husserl oder Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Diese kleine Phänomenologie arbeitet mit zwei, auf den Raum bezogenen, theoretischen Mitteln. Bachelard benennt sie mit Topophilie und Topo-Analyse. Die Topophilie soll die schönen Räume bzw. die Bilder von ihnen sammeln und ordnen.

Diplomnebenfach

Vordiplom

cv

2009 bis 2019
Studium HfG Offenbach

 

Gruppenausstellungen

2014 fatty tail, Station, Offenbach

2015 Ufokriege, Station, Offenbach

2016 XOXOXO, Station, Offenbach
Corpses, Driveway 327 Art Space, Los Angeles

2017 B Lyfe @DieWalz, Die Walz, Frankfurt
How To Disappear And Never Be Found Again, Station, Offenbach

2018 Soft Opening, Le Bureau, Frankfurt

 

Einzelausstellung

2017 Alternative Fats, Nomadenoase 8. Salon, Hamburg